Sehnsuchtsort „Panama“ – der Kanal

Tag 15. Zwischenspiel… 3.000 Container abladen, 3.000 Container aufladen, 6.000 Kranbewegungen an 4 Kränen, 6.000 Fahrten mit dem Containobil – 2 – 3 Minuten für beide Lade- einheiten, 80 – 100 Ladevorgänge in einer Stunde, nun arbeiten sie schon 18 Stunden in Schichten ohne Unterlass, heben die Zwischendecks aus – ein kräftiger Wind weht in 50 m Höhe auf Deck F -, setzen die Boxen korrekt in die Spanten und Nuten, das rot springt auf grün: „o.k.“ – die Boxen sind ausgetauscht. 2000 lt in Cartagena – Zeit zum Ausrauschen, aber noch kein Anzeichen fürs Ablegen: Warten – Weilen. Ich staune über die perfekte Organisation von Massen. Respekt vor der Arbeit.

Tag 16. Tropisch… 30 ° C und eine unendliche Flotte verrottender Dampfer liegen als Konvoi am Eingang des Kanals, aus dem sich langsam ein Kreuzfahrtschiff bewegt. Wir liegen 30 Minuten auf Warteschleife, ehe „Pilot Panama“ endlich eintrifft, um uns in den Hafen von Manzanillo zu lotsen. Zentimeter um Zentimeter bugsieren uns die beiden Schlepper an den Kai, an dem sich die Kräne nurmehr durch ihre Farbe von denen in anderen Häfen unterscheiden: Kurz nur die Zollformalitäten – und schon beginnt das Laden und Entladen, hier nur an zwei Kränen. Das ewig gleiche Konzert: Es klappert und scheppert nach Lust und Laune, der Lärmpegel erreicht gelegentlich 90 db; erst wenn ich das Fenster geschlossen halte, bleiben die Geräusche im Mitteltonbereich: Business as usual – und selbst der Kapitän weiss noch nicht um die Abfahrtszeit in den Kanal. Wir sind alle gespannt: Der Kanal ist Mitte und Höhepunkt der Seereise.

Tag 17 Panama-Kanal… Um0200 schiebt sich der Kahn langsam aus der Umklammerung der Kräne; zwei Schlepper und ein Lotse verhelfen ihm noch durch die schmale Hafenausfahrt von Manzanillo – und mit einem 180° Schwenk nimmt der Pilot Kurs auf die Lichter der Kanaleinfahrt, die linker wie rechter Hand mit einem Breakwaterwall gefestigt sind. „Dead slow ahead“ ist angesagt, damit der Hafenpilot aus- und der Schleusenpilot einsteigen kann. So dümpelt das Boot vor sich hin – und setzt sich auf die linke Seite der Schleusen, die 2016 neu ausgebaut worden sind, um Schiffe bis zu 50 m Breite und 300 m Länge aufzunehmen, während rechts sich ein Kreuzfahrtschiff der TUI in den alten Gatun-Kanal schiebt, der die Geschichte des Panama-Kanals erzählt:

Schon 1534 denkt in Spanien Karl I. an eine Querung der Kontinente am Isthmus von Panama, auch die Franzosen versuchen sich 1880 – und scheitern nach 20 Jahren an den Finanzen. Die USA entdecken den wirtschaftlichen Wert des Kanals, kaufen den Franzosen die Rechte ab und setzen das technische Wunderwerk nach zehn Jahre und 387 Millionen $ Kosten am 15.08.1914 in Szene.

Die Talsperren, die Technik der schweren Schleusen über mehrere Stufen, der Einsatz der Pumpen, um den Gatun-See als Schleusenwasser zu nutzen, sowie die Organisation der Schifffahrt durch ein enges Tal waren die mächtigen Anforderungen der Zeit. Die maritime Organisation teilen sich später Panama und die USA in einem Vertrag von 1979, den Panama 1999 alleine übernimmt und damit sein Staatsbudget finanziert: Die Schiffspassage unseres „Jean Gabriel“ kostet – nach Angaben von Wolfgang – runde 450.000 $ – und hier stehen die Schiffe Schlange: 1.000.000 Schiffe haben seit dieser Zeit den Kanal von Nordwest nach Südost oder umgekehrt befahren, die kleinen Katamarane und Segelschiffe nicht mitgezählt, die sich hier an die Seite zwischen den grossen Kähnen drängen; Die zunehmende Zahl von Schiffen im Jahr werfen Millionen von Dollar in die Kasse des Staates, ein sattes Häppchen bleibt wohl übrig, wenn die Kosten der Unterhaltung und Wartung der Anlagen entrichtet sind. Die Auskiesung hält die Wassertiefe bei etwa 13 m, in trockenen Jahren – wie heuer – sind ein 1 – 2 m niedriger Wasserstand ein maritimes Problem.

Nebenan wartet China in Honduras mit einer weniger anfälligen Transitalternative auf: Panama kämpft um seinen Kanal, der sich 50 nm von Nord nach Süd an der engsten und tiefsten Stelle der Wasserscheide zwischen Nord- und Südamerika auf einer Höhe von etwa 100 m erstreckt.

Pünktlich um 0600 öffnen sich die ersten beiden Doppelschleusen unter Blink- und Lautzeichen, zwei Schlepper helfen dem Schiff in die richtige Einfahrt; sehr langsam füllt sich das Becken und entlässt uns gegen 0700 in die zweite Stufe. Das schnelle Frühstück schiebt sich dazwischen, um gegen 0800 auf Deck F die Ausfahrt aus dem dritten Lock in den Gatunsee zu erleben, nachdem wir ca. 1.000 m weiter und 30 m höher ausgeschifft haben. Der See hat sich mächtig vergrössert, nachdem die Erbauer den Chagres River mit einem 800 m langen Erddamm aufgeschüttet haben. An seinen Rändern zieht sich die Gatun-Bahn dahin, die die beiden Terminals entlang der Transitstrecke miteinander verbindet. Fischadler ziehen ihre Kreise über unseren Köpfen. Das Schiff fährt extrem langsam, es hat bei dem niedrigen Wasserstand einen Tiefgang von 13,9 m, der nur in die Mittelfurt passt, aber entgegenkommenden Schiffen wieder passieren lassen muss. Der Schleusenlotse wechselt mit dem Kanallotsen.

Rund 9 Stunden sind statistisch eingeplant für den Transit durch den Gatunsee über 23,5 nm zum Gaillard Cut, einem engen Talschnitt, wo die kleineren Schiffe die Pedro Miguel Locks erreichen, die den Blick auf den 200 m hohen Goldhügel freigeben. Nach einer 10 m Schleuse auf einer Länge von etwa 1.400 m fahren sie in die Miraflores See ein, um nach zwei weiteren Stufen an der Miraflores-Schleuse bei Balboa erst die „Brücke der Amerikas“ und sodann die Tiefen des Pazifiks zu erreichen. Wir nehmen die westwärtige Route, wo die frisch gegrabenen Ränder eifrige Weiterungen sichtbar machen, und gelangen um 1500 in die letzte, dreistufige Schleuse, die uns auf Normalnull des Pazifiks bringt. Seitwärts zwirlen sich hinter den Hügeln die gesichtlosen Türme von Panama City in den Himmel, vor uns die eindrucksvolle Brücke de las Americas – und eine ansehnliche Zahl von Schiffen, die nur darauf warten, dass wir die Schleuse verlassen – 1630 zeigt die Uhr, als wir dem Schleusenpiloten „Adios“ sagen – und uns wieder auf freie Fahrt begeben

Ich möchte singen vor Glück, ein weiteres Highlight der Reise in einer ansprechenden Gesellschaft auf einem anspruchsvollen Trip. Heute Abend wird gefeiert, an einem Black Friday – sei‘s drum! Die Flasche „Bordeaux – Chateau Gravelle“ ist geordert – ich decke den Tisch in der Messe um 1700 ein.

Und alle folgen – ich bringe einen Toast aus auf einen wundervollen, abwechslungsreichen Tag, unsere erbauliche Mannschaft, die sich emanzipiert hat gegenüber der Crew und ihr Eigenleben führt sowie eine heute schon unvergessliche Reise zu sich selbst. Mein Geschenk ein dekorativer Tonkrug, den ich für den Kapitän oder sonst eine liebenswerte Person vorbereitet hatte, überlasse ich Wolfgang, von dessen Empathie und Unterhaltungswert die ganze Truppe profitiert – und der mit dem „ewigen Schwaben“ ein ausreichendes Tema für die Abendunterhaltung liefert.