En Retour – Gedankensplitter – Geistesblitze

En Retour – Gedankensplitter – Geistesblitze

27.03.20 „grau, lieber Freund, ist alle Teorie“ – und grau des Meeres Silberschein

28.03.20 „denn jedem Anfang wohnt ein Zauber inne…“: 0600 es rollt wieder – gen Norden!

wenn Demokratie einfach so weggebürstet wird – wie anlässlich eines Virus -, wer soll dann noch für sie kämpfen und eintreten ?

„Wie aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen verlautet, macht im Kanzleramt der Referenten-entwurf einer Rede der Kanzlerin zur Abstimmung die Runde, deren Kopie unserer Redaktion zugespielt wurde. Aus Gründen der nationalen Sicherheit geben wir ihren vollständigen – noch unredigierten – Text schon heute bekannt, um Turbulenzen, Aufständen oder gar Palastrevolutionen vorzubeugen:

Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger, einigermassen beschämt wende ich mich heute nach Ab-klingen der Infektionsgefahr durch das Corona-Virus erneut an Sie, die mich nun über vierzehn Jahre als Kanzlerin er- und getragen haben. Ich werde nicht lange rumseibern, sondern – für mich völlig ungewohnt – (kurze Pause) Klartext reden in der Weisheit der Offenbarung: Jedes hat seine Zeit.

Mit den Jahren ist auch bei mir langsam, aber stetig die Erkenntnis gewachsen, ich war und bin der Sache nicht gewachsen – schlimmer noch: Ich habe es vergeigt, wie mir Herr Seibert versichert. Ich habe als Physikerin zwar einige Kenntnis im Studium erworben, die ich jedoch zuletzt als „FDJ-Parteisekretärin für Agitation und Propaganda“ in der DDR nur bedingt in Form von Anode und Kathode, anziehender und abstossender Kraft auch nach meiner politischen Grundausbildung in Sachen Demokratie als „Mädchen“ von Helmut Kohl in die Politik einbringen konnte. Die alten Gäule meiner Partei, die partout an ihrem Amt kleben – wie die von mir hoch geschätzten Herren Schäuble und Seehofer – haben mir zudem – wie man so schön sagt – häufig rein gepfuscht und mir den Appetit an der Politik verdorben (leerer Blick).

Ich bekenne deshalb aufrichtig, ich habe die Zeit über nicht regiert, sondern nur administrieren lassen wie ich das bei Honecker, Mielke und Krenz von der Pike auf gelernt hatte. Denn niemand aus diesem erlauchten Kreis der neuen Herren hat mir jemals das Grundgesetz vorgelesen, in dem ausgerechnet diese Passage bei mir heute noch unleserlich ist, wonach der Kanzler die Richtlinien der Politik bestimmt. Von „Kanzlerin“ ist dort auch nicht die Rede. Herr Seibert hat immer gesagt, was zu sagen war – und ich habe dem immer mit meiner allseits bekannten Raute Ausdruck verliehen (fragender Blick). Ehrlich gesagt: Mehr braucht es auch nicht in der Politik (vielsagendes Lächeln).

Ich hatte – und dies bekenne ich heute freimütig – ja auch nicht viel Widerstand zu überwinden, weil meine Partei, die auf christlichem Fundament mit der Muttermilch bereits demokratisch versäugte Union mit mir an der Spitze kein irgendwie geartetes Parteiprogramm benötigt, um sich zu profilieren, denn mit mir hat sie alle Wahlen auch ohne Profil und Programm gewonnen. Wir haben einfach das gemacht, was die Wirtschafts- und Bankenwelt von uns erwartet. Und dabei habe ich nach der Geburtstagsfeier mit Herr Ackermann im Kanzleramt den Fehler gemacht, diese Art von Lobbyregierung auch noch eine „marktkonforme Demokratie“ zu nennen, wie dieser kriminelle Banker es mir vorgesagt hatte, der ja – wie wir heute wissen – mit seiner Idee von „25 % Rendite“ nicht nur die weltweit anerkannte Deutsche Bank wirtschaftlich ruiniert, sondern auch unseren guten Namen in aller Welt verheerend beschädigt hat – nun ja, er war Schweizer und sein Adlatus Jain Inder – was wissen die schon von Deutschland.

Und Europa – das habe ich vor 1989 ja gar nicht gekannt. Ich habe das „Haus Europa“ nie gefunden, das Herr Gorbatschow gebaut hat. Und wenn dann der Herr Macron mich mit seinen intelligenten neuen Ideen zu Europa überfällt, die ich nicht verstehe – ich spreche russisch, aber kein französisch – ja dann bleibt mir doch nichts anders übrig, als in Europa auf die Bremse zu treten (beschwichtigendes Lächeln). Sie werden das verstehen. Mein Credo war und ist – wenn‘s der Wirtschaft gut geht, geht es auch den Menschen gut, hat mir jedenfalls Peter Altmaier gesagt.

Ich selber nun habe mich damals bei der friedlichen Revolution meiner Landsleute in der DDR bewusst bedeckt gehalten, um anschliessend unversehrt und unverbraucht auch den Westen des Landes auf meine Art „Freiheit“ zurecht zu stutzen: Wir Bürger der DDR lebten 1989 von der Idee „Freiheit von…“ staatlichem Zwang, verschlossenen Grenzen, Stasi und SED. „Freiheit wozu…“ das habe ich mich eigentlich in der ganzen Zeit nicht gefragt. Zum einen ist das Fragen nicht mein Stil, ich habe als Kanzlerin Antwort zu geben – ungeachtet der gestellten Frage.

Sie werden das auch verstehen: Als ich einmal im Wahlkampf 2013 auf eine Frage im Publikum dumm geantwortet habe “mit mir wird es eine Pkw-Maut nicht geben!“, hat mich Herr Seehofer nicht mehr angeschaut und sein ungeliebter Zögling Söder masslos beschimpft. Da konnte ich halt nicht anders, als den Herren Dobrindt und Scheuer grünes Licht für eine Pkw-Maut zu geben, damit die aus ihrer bayerischen Sicht den Österreichern mal zeigen konnten, wer eigentlich in `schland was zu sagen hat.

Nicht ohne Bitterkeit und Enttäuschung blicke ich zurück auf die Jahre meiner Kanzlerschaft und was ich mir seitdem alles geleistet habe: Die grossen Katastrophen, die mich Seibert geheissen hat nur „Krisen“ zu nennen – Finanzkatastrophe, Flüchtlingskatastrophe, NSU-Katastrophe, Diesel-Katastrophe, Klimakatastrophe und schliesslich die CDU- und die COVID-19-Katastrofe, die mich in der selbstgewählten Quarantäne für ein paar Tage ohne Kanzleramt-Braun und Altmaier nach-denklich – und ehrlich gesagt – fertig gemacht haben. Wenn ich auch immer sage „Wir schaffen das“, aber – unter uns – die Katastrophen haben mich geschafft.

Die Finanzkatastrophe haben wir vergeblich zur Staatsschuldenkrise herunter zu reden versucht, aber mit unseren 500 Milliarden Garantien – Bürgschaften, verlorene Zuschüsse, Darlehn – haben wir – (augenzwinkernd) nicht Ihr Geld, sondern nur die Dividende der Aktionäre und die Boni der Vorstände gerettet. Steinbrück und ich haben uns zwar hingestellt und ihre Guthaben für „sicher“ erklärt, sonst hätten Sie möglicherweise die Banken geplündert, aber – ehrlich gesagt: die 100.000 € waren ja auch schon für jeden einzelnen im Bankenverbund garantiert. Da haben wir ganz schön getrickst – das ist die grosse Tugend der Grossen Koalition; das machen wir auch heute noch immerzu, immerzu – und keiner „merkelt“ es (aufrichtiges Lachen). Kleines Wortspiel.

Und Griechenland mussten wir anschliessend doch am langen Arm verhungern lassen, das hat vielen von uns gefallen, denn – wieder unser Trick – wir haben ja in der Grexit-Debatte die Hilfsgelder, die wir als „Tranchen“ unkenntlich gemacht haben – wieder ein kluger Schachzug (kichern) – nicht dem griechischen Volk, sondern unseren deutschen Banken zukommen lassen, die entgegenkommender Weise die Griechen schon vorfinanziert hatten. Dijsselbloom und Schäuble haben dann dem Varoufakis aber in der Eurogruppe auch gezeigt wie man „Austerität“ buchstabiert – der hat doch nach einem halben Jahr hingeschmissen, weil er nicht wahrhaben wollte, dass unsere „Sparsamkeit“ etwas anderes war als der Bankrott der Griechen – mein Gott, das bisschen Elend werden die Südländer doch noch ertragen können. Da mache ich mir keine Gedanken.

Und in der Flüchtlingspolitik habe ich doch ganz klar Flagge gezeigt „Wir schaffen das“ und „wenn man in diesem Land nicht mal ein bisschen freundlich sein darf, dann ist das nicht mehr mein Land“ – den Satz hat mir Schäuble nie verziehen; ich habe ihn auch nicht mehr wiederholt. Seibert hat bestreiten lassen, dass ich ihn überhaupt jemals gedacht, geschweige denn gesagt hätte. Damit war zwar die Willkommenskultur meiner Landsleute dahin, aber meine Umgebung lag mir doch immer in den Ohren „Das Boot ist voll“.

Und weil wir uns nicht von heute auf morgen einfach so aus dem Krieg in Syrien zurückziehen können – dort kämpfen wir schliesslich für unsere „Freunde der Demokratie“ oder wie man das sonst noch nennt – habe ich entschieden, die Schleuser zu bekämpfen, das sind ja die eigentlichen Verbrecher. Das wusste ich schon aus meiner DDR-Zeit: Fluchthelfer – das geht gar nicht; wir haben die manchmal auch erschossen, damit sie es nicht noch einmal versuchen. „Fluchtursachen“ – da konnte mir in der Regierung keiner sagen, was das anders sein soll als „Asyltourimus“.

Und die Sozis, na ja – Sie wissen schon -, die waren ja auch aus der Puste (kurzer Lacher) und haben halt auch immer „Ja und Amen“ zu meiner Politik gesagt.

Und – das fällt mir aber auch jetzt erst auf – in Sachen NSU bin ich wohl ein wenig zu weit gegangen, als ich, nachdem die ganze Chose hochgekocht war, erklärt habe „wir wollen vollständige Aufklärung“ – da hätten Sie mal sehen sollen wie hier die Puppen getanzt haben – Schäuble und sein frisch gebackener Präsident des Staatsschutz Dr. Maassen; mein Gott – wie wild doch Männer in der Politik werden können. Ich sollte irgendwas zu den Opfern und sonst sagen – „ es geht um Gerechtigkeit“. Ich habe dann lieber doch nichts mehr gesagt; Schäuble hätte sonst einen Herzinfarkt bekommen; daran wollte ich nicht auch noch schuld sein. Zur Abkühlung habe ich ihn dann gebeten, doch auf den Stuhl des Bundestagspräsidenten zu rücken – der ist sattelfest für seine nächsten 45 Jahre in der Politik – für solch ein altes Ross gilt noch lange nicht „Isch over“.

Na ja – und diese ärgerliche Dieselgeschichte: muss ich mich denn um alles kümmern. Das haben die Jungs von der CSU doch selbst versaubeutelt – und nun soll ich den Scheuer auch noch aus dem Schlagloch holen. Na ja, der „Scheuer Andy“ (kurzer Seufzer). Dabei haben sie doch im Zusam-menspiel mit dem Kraftfahrbundesamt und der Industrie uns alles eingebrockt: Sollen sie es nun auch selbst auslöffeln, ich halte mich da raus – die paar Millionen, die Scheuer dabei in den Sand gesetzt hat, ja, mein Gott, ich bin doch nicht „bescheuert“ (kleines Wortspiel) und mache auch noch den Finanzminister. Der weiss doch, wie man die „schwarze Null“ schreibt (befreiendes Lachen).

Und nun macht mir dann ein so von China in die Welt geschicktes Virus den Laden dicht. Und ich dachte, der ehrgeizige Jungspund Spahn hat das alles im Griff, denn schliesslich sind im Rahmen der Evolution schon andere Pandemien über die Menschheit gekommen – die Pest ward auch in China geboren. Leider haben wir in unserer westlichen-Werte-Welt kein rechtes wertes Mittel dagegen, nachdem – und das sage ich mit aller Deutlichkeit – die Krankenpflege schon vor meiner Zeit aus dem staatlichen Bereich ausgegliedert und den Gesetzen des Marktes unterworfen wurden (besorgtes Lächeln). Da nimmt die Botschaft des hochverehrten Herrn Lindner „Der Markt regelt alles“ klammheimlich reissaus, denn Katastrophen werfen halt nun mal keinen Profit ab, sie kosten was. Und jetzt schreien sie alle wieder „Risiko“ und „Bankrott“ – die haben anders als ich ihren Marx entweder nicht gelesen, bestimmt aber nicht verstanden (wissendes Lächeln): Im Kapitalismus trägt allein der Unternehmer das wirtschaftliche Risiko – er allein akkumuliert den Gewinn, also trägt er auch die Verluste – Basta! (energisch!) sage ich da mit Schröder.

Nun muss ich bekennen, die Dinge sind mir einfach über den Kopf gewachsen. Die paar Tage zu Hause – wann hatte ich das zuletzt (kurzer Lacher) – haben mir gut getan. Immer das politische Wischi-Waschi – mit all den Typen. Ich kann – und das sage ich ganz persönlich – der Bitte meines Mannes, als „Mama“ – wie Sie mich alle nennen – an den häuslichen Herd in meinem verschlafen schönen Mecklenburg zurückzukehren, nicht mehr widerstehen. Annegret KK wird den Rest schon richten, den ich hinterlassen habe. Und ein paar Kaffeekränzchen mit Frieda Springer und Liz Mohn wird es wohl noch geben, damit mein Abschied medial wohlwollend begleitet wird.

Ich wünsche Ihnen, meine lieben Mitbürger und Mitbürgerinnen – nun als ihre Mitbürgerin – eine „gute Zeit“ (kurzes Hüsteln), ich bleibe jetzt in politischer Quarantäne (leises Kichern) – zu Hause. (Flackerndes TV Bild; Black).

Kommentar: Claus Kleber – ZDF.

29.03.20 Auszug aus „Magellan“, als er am 28.11.1520 in den Pazifik einfährt:

…der namenlose Ozean – ein Meer, so weit, dass der menschliche Geist es kaum erfassen kann…Magellan fährt völlig ins Leere… ausgesetzt in einer Wasserwüste…segeln die drei Schiffe zwanzig Tage, dreissig Tage, fünfzig und sechzig Tage, und immer noch kein Land, noch immer kein Hoffnungszeichen…und wieder eine Woche und noch eine Woche und noch eine und noch eine und noch eine – hundert Tage. Tausend und tausend und tausend leere Stunden… keine Karte mehr, kein Mass und Windstille allenthalben – um derentwillen er ihn für alle Zeiten „el Pacifico“, den „Friedlichen“ tauft.

Aber wie grausam diese Friedlichkeit, welche Marter der Monotonie in dieser tödlichen Stille! Immer gleich blau und spiegelnd das Meer, immer gleich wolkenlos und glühend der Himmel, immer gleich stumm, gleich tonlos die Luft und gleich rund der Horizont, ein metallener Schnitt zwischen demselben Himmel und demselben Wasser, der sich allmählich tief ins Herz schneidet. Immer das gleiche riesige blaue Nichts um die winzigen Schiffe, das einzig Bewegte inmitten der grässlichen Unbewegtheit, immer das gleiche grausame Licht des Tages, an dem man nur immer das Eine, das Gleiche , dasselbe gewahrt. Und immer des Nachts die gleichen kalten schweigsamen Sterne, am Tag dasselbe Segel, derselbe Mast, dasselbe Deck, derselbe Anker, dieselben Kanonen, dieselbe Takelage, immer morgens, mittags, abends und nachts, immer wieder unvermeidlich einander begaffend dieselben Gesichter, die sich in dumpfer Verzweiflung und ausgehungert anstarren, Tag um Tag mehr verfallen: Tiefer kriechen die Augen in die Höhlen, matter ihr Glanz, schlaffer und schwächer Schritt um Schritt. Gespenster gehen um, hohlwangig und fahl…

… und noch dreissig Tage bis Samar/Philippinen, bevor es den 16. März 1521 hat.

Magellan ist tot, – 27.04.1521 auf Mactan im Kampf gegen den Häuptling LapuLapu – hurra, ich lebe noch.

30.03.20 Callao schaut durch das Grau des Meeres. Jeden Morgen wache ich mit dem Gedanken auf: Hast du heute Fieber ?

31.03.20 Wenn Charles Darwin beschreibt, wie sich im Rahmen der Evolution die Spezies unter Anpassung an ihre jeweiligen natürlichen Bedingungen angepasst und entwickelt haben, dann gilt das doch auch für alle Zivilisationskrankheiten: Wir haben doch alle die frühkindliche Phase mit Masern, Röteln und Mumps erfolgreich deswegen durchlaufen, weil unser Körper in seiner Apotheke das Mittel führte, das die Krankheit beherrschte. Der Körper hat mit eigenen oder infizierten Gegenmitteln Gelbfieber, Pocken und Cholera, Malaria und Hepatitis besiegt. Wir haben Ebola, Schweine- und Vogelgrippe unbeschadet vorbeifliegen lassen – und wir werden COVID 19 nur dann besiegen, wenn wir in unserem Körper entsprechende Truppen bilden, die das Virus bekämpfen und erledigen. Das heisst aber auch, dass wir uns dem Virus aussetzen und uns nicht nur vor ihm beschützen müssen – wie es die Politik vornehmlich betreibt. Nur dann, wenn ausreichend Genträger vorhanden sind, die den Antikörper besitzen, lässt sich die Pandemie von morgen beherrschen – oder ist das etwa schon Sozialdarwinismus ?

01.04.20 Ich schaue in die nächtliche Sternenwelt, deren Licht mich nach tausend Lichtjahren endlich erreicht: Schaue ich in die Vergangenheit oder in die Zukunft oder ist es nur der kurze Moment einer Gegenwart, in der mich das Licht streift oder gar endet – oder weiter gefragt:

Wohin geht das Licht, nachdem es bei mir angekommen ist ?

02.04.20 T a g l o s – welcher Wochentag ist heute ?

03.04.20 T r o s t l o s – Posorja, kein Mensch auf der Strasse, kein Auto – nur Hafen.

04.04.20 S c h w e r e l o s – sag‘ mir, lieber Archimedes, doch bitte noch einmal wie 150.000 Tonnen Eisen und Stahl auf dem Wasser schwimmen, während ich mit meinen zwei Zentnern untergehe ?

05.04.20 L u s t l o s schon wieder Sonntag sagt mir Joe, der Messman.

06.04.20 H o f f n u n g s l o s – Schuman, Adenauer, de Gasperi haben vor 65 Jahren mit den „Römischen Verträgen“ Europa Leben eingehaucht; über die „Montanunion“ und die „Europäische Wirtschaftsgemeinschaft“ ist das Kind als „Europäische Union“ erwachsen geworden; nach dem Brexit und der Corona-Katastrofe liegt dieser erbärmliche Haufen an nationalistischen Interessen, wirtschaftlichem Lobbyismus und administrativer Unfähigkeit, parlamentarischer Kastration und bürgerlicher Entfremdung mit Herzstillstand am Boden; ich gebe keinen Deut mehr auf EUROPA.

07.04.20 Peter Vonnahme, ein alter Schulkollege aus Landsberger Zeiten hat sich ein paar vernünftige Gedanken gemacht in Zeiten von Corona: Er wie ich sehen das Problem weniger in der Corona-Krise, sondern in der Art, wie es staatlich gemanagt wird:

Die Welt nach Corona wird eine andere sein

„Ich bin Richter im Ruhestand. Altersbedingt gehöre ich zu einer Risikogruppe. Meine Frau und ich befinden sich seit gut drei Wochen in selbst auferlegter Teilquarantäne. Einkäufe im Supermarkt werden auf das Notwendigste beschränkt. Wir fühlen uns gesund. Mein Terminkalender ist radikal ausgedünnt. Alle Veranstaltungen, Termine, Reisen sind storniert. Das öffentliche Leben ist eingefroren.

Plötzlich habe ich viel Zeit, viel mehr als im letzten halben Jahrhundert. Wir haben mehr Zeit füreinander. Wir sitzen länger zu Tisch, diskutieren viel und erledigen Dinge, die länger liegengeblieben sind. Freunde rufen öfters an und erkundigen sich nach unserem Befinden und bieten Hilfe an. Wenn ich selbst anrufe, meldet sich neuerdings ein Mensch, kaum noch ein Anrufbeantworter. Es ist unübersehbar: Corona hat unser Leben in bisher unbekannter Weise verändert.

Zäsur

Es zeichnet sich ab, dass das Virus neben den Gefahren für Leib und Leben auch soziale und wirtschaftliche Verwerfungen mit sich bringt. Das wird eine Zäsur in unserem Denken bewirken. Alte Gewissheiten kommen auf dem Prüfstand. Die Welt nach Corona wird eine andere sein.

Etwas halbwegs Vergleichbares erlebten wir 1986 nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Als sich damals still und leise radioaktive Partikel wie Mehltau über unsere Gärten, Städte und Felder legten, machte sich Angst breit – nicht zuletzt deshalb, weil sich die atomare Verseuchung unserer sinnlichen Wahrnehmung entzog. Mittelfristige Folge war, dass sich der Atomstrom bis heute fast halbierte. Parallel dazu begann der globale Siegeszug der erneuerbaren Energien.

Heute erleben wir, dass ein winziges, für unser Auge unsichtbares Virus die Grenzen unserer hochentwickelten Medizin, unserer Versorgungseinrichtungen und des globalisierten Handels aufzeigt. Mehr als das: Corona hat die Welt erschüttert wie kein anderes Ereignis nach dem Zweiten Weltkrieg.

Ein Blick zurück zeigt, dass ein solcher abrupter Einbruch in das normale Leben nichts Neues ist. Im Mittelalter entvölkerte die Pest weite Landstriche Europas. Gegen Ende des Ersten Weltkriegs starben etwa 50 Millionen Menschen an der Spanischen Grippe. Davon sind wir heute meilenweit entfernt. Aber die Erinnerung an geschehenes Unheil verunsichert Menschen und verängstigt sie.

Hinzukommt, dass Viren von jeher einen schlechten Ruf hatten. Doch genau genommen ist die Erde ihr Planet. Sie waren lange vor uns da, es gibt sie seit Milliarden Jahren. Die Vorläufer des Menschen hingegen gibt es erst seit ein paar Millionen Jahren. Viren sind nicht schlechthin „böse“. Der Virologe Christian Drosten, seit Wochen via TV fast allabendlicher Gast in unseren Wohnzimmern, meint, Viren seien eine Stellgröße in der Natur, die sich aus gutem Grund über Jahrmillionen gebildet habe. Ohne sie würden viele Ökosysteme aus dem Gleichgewicht geraten.

Dramatische Zahlen

Aber diese Erkenntnis hilft nur bedingt weiter. Stand 31.3. sind in Deutschland 71.000 Menschen mit dem Corona Virus infiziert; fast 700 sind verstorben. Zur Monatsmitte lauteten die Vergleichszahlen 5000 und 10; das entspricht einer Versiebzigfachung der Todesfälle in zwei Wochen. Das klingt dramatisch. Da ich aber kein Epidemiologe bin, kann ich die Dynamik dieser Zahlen nicht seriös bewerten, aber kalt lassen sie mich nicht.

Der deutsche Virologe Hendrik Streeck vermutet, dass Corona die Gesamtsterblichkeit in Deutschland nicht erhöhen werde, sie liege normalerweise bei rund 2500 Personen pro Tag. Einige Autoren verweisen darauf, dass die alljährliche Influenzawelle mehr Menschenleben fordert. Andere Stimmen sprechen davon, dass es weltweit keinen einzigen Beweis für eine „besondere Gefahr“ gebe. Vielmehr ließen sich hysterische Medien vor den Karren mächtiger Interessen („Big Pharma“) spannen. Der ehemalige Flensburger Amtsarzt Wolfgang Wodarg, Kronzeuge der Beschwichtigerfraktion, argumentiert lapidar, wenn mehr getestet werde, gebe es naturgemäß auch mehr Treffer.

Versuch einer Orientierung

Alle derzeit genannten Zahlen sind Momentaufnahmen, sie zeigen Trends auf. Aussagen über die Ausbreitung eines Virus, das man erst seit ein paar Monaten kennt, sollte man deshalb mit Vorsicht begegnen.

Aber eines lässt sich sagen: Wenn das Coronavirus so harmlos ist wie manche behaupten, wie kann man dann erklären, dass die Bundesregierung – bisher unbeirrbare Verteidigerin der „Schwarzen Null“ – ein Hilfspaket von 600 Milliarden Euro beschließt und Bundestag und Bundesrat in nie gesehener Eile zustimmen? Und warum macht US-Präsident Trump, zunächst vehementer Leugner einer Corona-Gefahr für sein Land, plötzlich sagenhafte 2,2 Billionen Dollar (!) zur Bekämpfung der Corona-Folgen locker? Beides sind historisch einmalige Anstrengungen in Friedenszeiten. Es ist auch nicht plausibel, dass ein Land Billionenverluste für die eigene Volkswirtschaft in Kauf nimmt, um mögliche Gewinne von Big Pharma in Milliardenhöhe zu ermöglichen. Ein solches Szenario entbehrt jeder Logik.

Außerdem: Welches gemeinsame Interesse sollen China, die USA, Japan, Russland, Italien, Spanien, Frankreich und Deutschland haben, der Welt ein konzertiertes Corona-Schmierentheater vorzuspielen? Weder Big Pharma, noch Kapitalismus, noch der „tiefe Staat“ sind hierfür ein überzeugendes Erklärungsmodell. Alles deutet darauf hin, dass sich derzeit Staaten weltweit und systemübergreifend in einem gemeinsamen Abwehrkampf gegen eine globale Gefahr befinden.

Für die Sonderstellung des Coronavirus spricht auch, dass in Friedenszeiten noch niemals europäische Ärzte entscheiden mussten, wen sie noch behandeln (können) und wen sie auf den Fluren der Krankenhäuser sterben lassen (müssen). Einmalig ist auch, dass zum Abtransport von Leichen aus Kliniken die Kapazitäten der Bestatter nicht mehr ausreichen und deshalb Militärfahrzeuge eingesetzt werden müssen. So geschehen in Italien.

Krieg gegen Corona

Gesundheitsminister Spahn sagte, dass wir derzeit die Ruhe vor dem Sturm erleben. Die Staatschefs vieler Staaten sprechen sogar von einem Krieg gegen Corona. Das sollte hellhörig machen. Denn im Krieg sind alle Mittel erlaubt.

China, Südkorea und Singapur haben bewiesen, dass der Krieg zu gewinnen ist, wenngleich mit schwerem Geschütz gegen die eigene Bevölkerung. Selbst wenn Deutschland in mittlerer Zukunft diesen Krieg gegen Corona gewinnt, wird das Land nicht mehr das sein, das es vor Corona war. Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler meint, die Krise lasse erahnen, dass wir uns auf eine dauerhafte Veränderung unseres Alltagslebens einstellen müssen.

Wir bemerken es jetzt schon. Fast alles, was uns lieb ist, steht unter Quarantäne. Der Frühling ist heuer ausgefallen, der Spaziergang am See, der unbeschwerte Stadtbummel, die Einkehr beim Dorfwirt. Gedanken daran fühlen sich heute an wie eine Reminiszenz an die gute alte Zeit. Wer glaubt noch ernsthaft, dass wir Ostern beim Lieblingsitaliener auf der Terrasse sitzen werden?

Stattdessen lobt Deutschland Markus Söder, weil er Freiheiten massiv eingeschränkt hat. Angst ruft nach entschlossenem Handeln. Je mehr von der bitteren Medizin, desto größer die Hoffnung auf schnelle Heilung. Heribert Prantl bringt es auf den Punkt: Corona hat das geschafft, was selbst der Krieg nicht geschafft hat. Kirchen seien geschlossen, Hochzeiten und Taufen ausgefallen. Nur gestorben werde weiterhin, aber Beerdigungen fänden nur noch im kleinsten Kreis statt.

Das Schweigen der Lämmer

Notzeiten sind die Stunde der Exekutive, es muss gehandelt werden – und zwar schnell. Die Politik steht unter großem Erfolgsdruck, die Ungeduld wächst von Tag zu Tag. Lobend wird erwähnt, dass ein totalitäres Regime wie in China die schlimme Bedrohung binnen weniger Wochen in den Griff bekommen hat. Die Gefahr, dass vor dem Hintergrund der chinesischen Erfolgsmeldungen auch hierzulande die Bereitschaft wächst, Freiheitsrechte antasten zu lassen, ist nicht von der Hand zu weisen. Deswegen bedarf Regierungshandeln in der jetzigen Situation vermehrter Kontrolle durch Bürger, Medien und Justiz.

Gleichzeitig erleben wir ein bemerkenswertes Phänomen: Je mehr unsere Freiheitsrechte beschnitten werden, desto höher ist die gesellschaftliche Zustimmung. Ich kenne in meinem Umfeld niemanden, der die jüngst angeordneten Beschränkungen ernsthaft in Frage stellt. Schweigen also die Lämmer? Nein, der mündige Bürger ist wach.

Nicht nur einmal bin ich in den letzten Tagen gefragt worden: Darf die Politik das alles? Ist das verfassungsgemäß? Welche Rolle spielt eigentlich die EU? Es ist also nicht so, dass die verfügten Ausgangsbeschränkungen zu einer Erstarrung des politischen Lebens geführt haben. Im Gegenteil, es wird viel diskutiert über Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen und es gibt ungewöhnlich viel Konsens. Offensichtlich haben die Menschen bis jetzt nicht das Gefühl, dass die Demokratie in Gefahr ist.

Primat der Politik

Doch eine andere Besorgnis wird wach: Wie ist es mit dem Primat der Politik? Sind wir auf dem Weg zu einer Diktatur der Virologen? Zugespitzt: Ist Prof. Drosten der heimliche Kanzler? Natürlich nicht! Entscheidungen liegen nach wie vor allein bei der Politik. Sie muss austarieren zwischen dem Rat der Virologen und den Forderungen der Wirtschaft. Vordergründig lautet die Frage: Was ist mehr wert – Opas Leben oder die Wirtschaft?

Neulich schrieb einer mit Blick auf die wirtschaftslähmenden Restriktionen, wir begehen Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Das ist zwar zynisch, zeigt aber die Schwierigkeit einer ethische Abwägung. Frage: Ist es vertretbar, dass ein paar Prozent Hochgefährdeter geschont werden (Variante 1), wenn der Preis dafür ist, dass die gesamte Volkswirtschaft zusammenbricht mit der Folge einer existenziellen Gefährdung vieler Menschen durch Elend, Depression und Selbstmord (Variante 2)? Verfassungsrechtlich ist jedes Leben gleich viel wert. Das verbietet im Grund jede Abwägung. Man mag mir nachsehen, dass ich als Angehöriger einer Risikogruppe eine Grundsympathie für Variante 1 habe. Ich bin sehr froh, dass ich nicht als Kabinettsmitglied oder Abgeordneter entscheiden muss.

Fragen an die Politik

Meinungsumfragen zeigen, dass der Durchschnittsdeutsche, der sich vorwiegend durch ARD und ZDF informieren lässt, die Krisenpolitik der Regierung gutheißt. Über Versäumnisse der Gesundheitspolitik im Vorlauf der Corona Pandemie wird öffentlich kaum diskutiert. Zwar kam Corona unerwartet über uns. Aber vom Himmel gefallen ist die Seuche nicht.

Unübersehbar ist, dass wir auf die Herausforderungen schlecht vorbereitet sind. Es fehlt an allem, an Personal ebenso wie an Beatmungsgeräten, Atemschutzmasken, Schutzanzügen und Desinfektionsmitteln. Die Politik hat sich jahrelang blind darauf verlassen, dass die Handelsströme um die halbe Welt auch in Krisenzeiten stabil sind. Eigene Produktionsstätten und Lagerbevorratung wurden vernachlässigt, weil fernöstliche Angebote ein paar Cent billiger waren. Die Grenzen der Globalisierung wurden schmerzlich sichtbar.

Auch im Personalbereich der Krankenhäuser wurde rigoros gespart. Die Bediensteten arbeiteten oft an der physischen und psychischen Belastungsgrenze. Es wird Jahre dauern bis zusätzliches qualifiziertes Personal verfügbar ist. Corona hat dem Gesundheitswesen einen Schuss vor den Bug gegeben. Man kann nur hoffen, dass ihn die Verantwortlichen gehört haben und die Herrschaft der Betriebswirte im Gesundheitsbereich zu Ende geht.

Wir sehen in diesen Tagen, was wirklich wichtig ist: Solidarität und soziale Intelligenz. Die Rede ist von den Ärzten, Krankenschwestern, Pflegern und Hilfskräften in Kliniken und Arztpraxen. Gleiches gilt für die Kassiererin im Supermarkt und die Verkäuferin im Bäckerladen, die Fernfahrer, das Bahnpersonal, die Müllwerker, die Polizisten und die Verwaltungsangestellten, vom Pförtner bis zum Bürgermeister. Und viele andere, die hier nicht genannt sind. Diese Menschen sorgen unter Risiken für die eigene Gesundheit dafür, dass unser Leben weitergeht. Wenn sie ihre Dienste einstellen würden, wäre das das Ende unserer Gesellschaft. Deshalb sind diese Menschen die Stützen unserer Gesellschaft. Sie sind die wahren Leistungsträger.

Es wäre unverzeihlich, wenn wir diese Lehre nach dem Ende der Krise wieder vergessen würden. Es ist an der Zeit, dass wir denen, die bequem und risikolos von ihrem Reichtum leben, etwas wegnehmen und es denen geben, die es im wahrsten Sinn des Wortes „verdient“ haben. Das hat nichts mit Neid zu tun, sondern mit Gerechtigkeit.

Aktueller Aufklärungsbedarf

Momentan ist die Politik mit Krisenmanagement voll ausgelastet. Hierbei zeigt sich, dass Politiker, die sich bisher vor allem als Parteifunktionäre und Bierzeltredner hervorgetan haben, unter dem Druck der Ereignisse zu fürsorglichen Landesvätern heranreifen können. Andere, die sich bis vor kurzem zu höchsten Staatsämtern berufen fühlten, tauchten vollends ab.

Aber es werden wieder ruhigere Zeiten kommen, um Fragen nachzugehen, die die Corona-Krise aufgeworfen hat:

– Wer trägt eigentlich die Verantwortung dafür, dass Deutschland auf eine Pandemie so miserabel vorbereitet ist? Immerhin hatte das Robert-Koch-Institut bereits vor Jahren in einer konkreten Fallstudie die ausreichende Bevorratung von Atemmasken, Schutzkleidung und medizinisch-technischem Gerät angemahnt.

– Warum hat die Bundesregierung auf ein Hilfsangebot des chinesischen Präsidenten Xi Jinping im Kampf gegen das Coronavirus nicht reagiert, obwohl die eigenen Materialdefizite und das Know-how der Chinesen im Corona Abwehrkampf bekannt waren? China hat anderen europäischen Staaten wie etwa Italien, Spanien und Frankreich Hilfslieferungen zukommen lassen und auch Ärzteteams zur Hilfe vor Ort entsandt.

– Warum hat man in Deutschland das Tragen von Schutzmasken nicht zur Pflicht gemacht, obwohl chinesische Erfahrungen deren Nützlichkeit zum Selbst- und Fremdschutz bestätigt hatten? Auch Österreichs Kanzler hat eine Maskenpflicht für Einkaufsgänge verkündet. Die naheliegendste Erklärung für die deutsche Untätigkeit ist, dass dadurch das peinliche Fehlen von Masken verdeckt werden sollte.

Lerneffekte

Corona hat dem Land schwere Opfer abverlangt. Dank zu erwartender medizinischer Fortschritte wird dem Virus voraussichtlich bald sein Schrecken genommen werden. Wir wären gut beraten, wenn wir dann die gleiche Entschlossenheit beim Kampf gegen den Klimawandel zeigen würden. Denn gegen ein zerstörtes Weltklima gibt es im Gegensatz zu Corona kein Heilmittel. Der Schaden ist irreparabel. So weit darf es im Interesse der Menschen, die nach uns auf der Erde leben wollen, nie kommen.

Vieles deutet darauf hin, dass sich der Klimawandel weiter beschleunigt. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, in dem es zu spät ist dagegen zu steuern. Wir sind im Begriff, diesen Zeitpunkt zu verschlafen. Wir haben immer Wichtigeres zu tun: die Währung retten, die Wirtschaft schützen, eine Seuche bekämpfen, notfalls den Kommunismus oder den Islamismus und – wenn sich einmal gar nichts anderes anbietet – die freie Fahrt für freie Bürger sichern. An dieser Einspurigkeit des Denkens und Handelns wird die Menschheit voraussichtlich irgendwann zugrunde gehen.

Dabei schienen wir letztes Jahr schon auf gutem Wege. Doch dann kam Corona und mit ihm die Veranstaltungs- und Ausgehverbote und die mediale Ausrichtung auf ein Thema. Wer spricht heute noch vom Klimaprotest der jungen Menschen? Wir sind beim Klima zurück auf Start.

Corona werden wir besiegen. Aber das Klima wird uns besiegen, wenn wir weiterhin nicht entschieden handeln. Das wird nicht schon morgen geschehen, aber wenn es geschieht, dann mit der Urgewalt der Natur.

Zu dieser Stunde gibt es laut Johns Hopkins University weltweit 938.373 Corona-Infizierte. Offensichtlich brauchen wir konkrete Zahlen, um zu handeln. Sollten nicht auch die unzählbar vielen, erwartbaren Klimatoten der Zukunft als Anlass zum Handeln genügen?

Bevor ich es vergesse, noch zwei gute Nachrichten:
Erstens, Dank Corona ist der weltweite CO2-Ausstoß erstmals wieder gesunken.
Und zweitens, die ersten Hamsterkäufer haben nach dem restlosen Verbrauch ihrer Nudelvorräte bemerkt, dass Klopapier nicht zum menschlichen Verzehr geeignet ist.“

08.04.20 Ingrid‘s 80. Geburtstag – auf der Anfahrt nach Cartagena ohne Geburtstagskuchen.

„Die Brüder Karamasow“ – Iwan, Mitja und Aljosha – endlich zu Ende gelesen. Tolle, spannende Weltliteratur. Kriminal- und Gesellschaftsroman einer Zeit, in der russische Literatur noch zur europäischen humanistischen Bildung gehörte. Und eine Geschichte fast vollständig als Gespräch erzählt, druckreifes Teater: Wie ein „1-Track-Film“ werde ich durch die Seiten gesogen, tunlichst vermeidend ein Wort, einen Gedanken zu überlesen. Erschöpft.

Nun wartet auf der restlichen Reise noch „Schuld und Sühne“ auf mich, vielleicht wage ich mich doch auch noch mal an Tolstoi „Anna Karenina“ heran. Lesen bleibt neben dem Sport die einzige Abwechslung im immer gleichen Tageslauf. Langsam verstehe ich die Wirkung von Freiheitsstrafen

09.04.20 Gebet ist eine Art Meditation. Nichtstun will gelernt sein.

Musen sind Mussen – oder Musse ist Muse ? Doitsch sein swere Sprach–e.

10.04.20 Heavy load, heavy winds, heavy waves on the way to Santo Domingo – Bergfest.

11.04.20 Einsamkeit – „la solitude“ war mein fotografisches Tema, mit dem ich die Reise füllen wollte: einsam in den Weiten der Meere, erschlagen vom Heer der Container, eintönig die Welt der Kräne in den Containerhäfen, der leere Blick in das Programm des Tages: Wind, Wellen Wasser – nun wird aus den Fotos ein Fokus der Realität. Einsam und still in meiner Kabine, einsam und lärmend der Krach der schabenden Container im Fitnessraum, einsam und windzerzaust im Bugkorb, einsam und aufmerksam beim Rundgang auf dem Upperdeck, einsam und schwitzend in der Sauna, einsam und sprachlos auf der Brücke – einzig die Mahlzeiten und der gemeinsame Kaffee danach lassen frische Unterhaltung allenfalls als Small-talk unter den Passagieren walten; ich spüre, wie sich meine Batterie langsam leert. Caucedo lacht karibisch.

12.04.20 Feliz pascua ! – Brabecue bei stürmischem Wind und in rauer See

13.04.20 Wenn der demokratische Staat sich im Gemeinwohl definiert, ist Demokratie und Kapitalismus unverträglich – wohlan denn, Staat, steh‘ auf und gesunde!

14.04.20 eintöniger Alltag, Routine, bleierne Routine. Was gestern noch Abwechslung war – Vokabeln lernen, Sport treiben, lesen – ist heute nur noch Routine, bleierne Routine…

15.04.20 Der Gedanke, in Rotterdam auszusteigen, schleift sich angesichts der Anbindung von Europoort ab; für Willi ist der Anlauf wohl mit zuviel Umständen und Erklärungen verbunden,wenn sich keine Lockerungen ergeben. Dafür schleicht sich Raskolnikow in meine Gedanken und fordert meine Neugier – Dostejewski zieht mich mit „Schuld und Sühne“ in seinen literarischen Bann.

16.04.20 Wasser hat eine suggestive Wirkung auf mich, wenn ich ihm beim täglichen Rund-gang auf Upperdeck zuschaue: Kreuz und quer schlagen sich sanft die Wellen und verteilen ihre Kräfte in immer neuen ungeahnten Formen – und doch steckt in diesem Chaos eine ungeheure tonnenschwere Wucht, wenn sich die Welle bricht und als weisses Sahnehäubchen über die Fläche verteilt.

17.04.20 „Der Zweifel ist die Tugend der Wissenschaft, nicht die Gewissheit“

– Anmerkung zur Expertokratie in Zeiten von Corona

18.04.20 „Maultaschen statt Maulkorb“ – avantgardistische Demo in schwieriger Zeit.

19.04.20 Der letzte Sonntag an Bord! Morgens noch einen Silberstreif am Horizont – am Abend verfliessen sie in „fifty shades of grey“. Der Tag hellt auf bei Theodor Fontane, der mich „Jenseits des Tweed“ wieder mit Schottland, Hollyrood und Edinburgh Castle, Cannondale und High Street, Hay- und Grassmarket, Stirling und Linlithgow, den Douglas und den Stewarts vertraut macht und dazu die Geschichten der „Lady of the Lake“ oder des „Macbeth“ und Duncan vorzüglich erzählt.

20.04.20 Die Sonne lacht – und wir brettern mit 20 kn durch den Kanal gegen einen stürmi-schen Wind, der uns mit 50 kn auf der Nase steht: Ein Warten auf Godot – Leere macht sich breit.

21.04.20 What a beautiful morning – Ankunft in Hoek van Holland. Nun weiss ich, dass ich in Europa zu Hause bin: alles scheint so vertraut – und doch traue ich dem „Frieden“ an Land noch nicht, denn dieses Land ist ein anderes als das, das ich verlassen habe.

22.04.20 die Welt von morgen ist die Welt von heute: In Europoort Rotterdam siehst du keinen Menschen mehr arbeiten; alles automatisiert, die Speicherung, die Speicherkräne, die Containertrucks. Nur wenn du genau hinschaust, siehst du im Kranhaus noch einen Kranführer und auf dem Krandeck einen Klon, der die Nippel sammelt, mit denen die Container untereinander befestigt sind: Geklonte Welt – wann beginnt der Aufstand der entlassenen Hafenarbeiter ?

23.04.20 Good morning, Britannia – Good bye, Ian – get it done; Europa lächelt. Und in mir flaut ein seltsames Zwillingsgefühl – zum einen weht der Wind des Abschieds, zum andern lacht die Freude der Ankunft: 2 Monate Seefahrt, ich fasse es nicht – und noch zwei Tage bis Hamburg.

24.04.20 F A R E W E L L mit der Crew „Old Seafarer‘s Romance“ – Sing a Song

Nehmt Abschied, Brüder, Should auld acquaintance be forgot
ungewiss ist alle Wiederkehr, and never brought to mind ?
die Zukunft liegt in Finsternis Should auld acquaintance be forgot
und macht das Herz uns schwer. And days of auld lang syne ?


Der Himmel wölbt sich überm Land Ade, auf Wiederseh’n!
Wir ruhen all in Gottes Hand Lebt wohl, auf Wiederseh’n!

Es ist in jedem Anbeginn das Ende nicht mehr weit,
wir kommen her und gehen hin und mit uns geht die Zeit.
Der Himmel …

Nehmt Abschied, Brüder, schließt den Kreis Das Leben ist ein Spiel.
und wer es recht zu spielen weiß gelangt ans grosse Ziel.
Der Himmel …

25.04.20 1200 H A M B U R G – Tor zur Welt: nach 16815 nm = 30.000 km mache ich die Klappe zuund habe mich wieder: Karsten wartet am Burchard-Terminal! Black. Ende. Aus.